Sowie sich das Jahr nun allmählich hier bei sarah mia dem Ende neigt, erfahren viele von uns eine Einladung einzukehren: in uns, unsere Seele, unsere Hoffnungen und Wünsche, aber auch in den Erfahrungsschatz, den wir in diesem Jahr angehäuft haben. Vielleicht geht es euch ja wie mir und ihr stellt bei der Bestandsaufnahme eures persönlichen Jahres fest, dass 2020 ein paar wichtige, wenn auch schmerzvolle Lektionen für euch bereit gehalten hat. Vielleicht denkt ihr nicht so gerne an bestimmte Situationen zurück, seid froh, dass ihr die Herausforderungen, die sich euch boten, doch noch irgendwie gemeistert habt. Oder seid ihr heute noch dankbarer für das, was ihr trotz all der nicht zu beschönigenden Ereignisse des Jahres 2020 in eurem Leben habt. Vielleicht seht ihr heute deutlicher, was in eurem Leben gerade einfach gut und schön ist. Was euch Hoffnung gibt. Und vor allem: Wie sehr ihr in diesem Jahr gewachsen seid.
Wie neu
Für mich fühlt es sich ein bisschen so an, wie das Abstreifen einer zu eng gewordenen Haut – in etwa so, wie bei einer sich häutenden Schlange. Der Platz darin reichte 2020 schlussendlich nicht mehr aus und wir wurden von den sich uns in diesem speziellen Jahr bietenden, äußeren Rahmenbedingungen eingeladen (und ich sage bewusst nicht „gezwungen“), genau hinzuschauen, die ein oder andere Kurskorrektur vorzunehmen und das Dargebotene in Gold zu verwandeln. Die verborgenen Schätze in unserer persönlichen „Spielkiste“ hervorzuholen, dankbar zu sein und andere an dieser positiven, stärkenden Energie teilhaben zu lassen, damit auch sie wachsen können.
So bringt ja doch alles als schlecht und bedrohlich erlebte immer ein – wenn auch sehr kleines – Geschenk mit sich. Und auch ich möchte das Jahresende zum Anlass nehmen, euch ein kleines Geschenk zu machen. Es ist eine Geschichte von Michael Ende, die ich gerne mit euch teilen möchte. Ich hoffe, sie macht euch beim Lesen auch solche Freude!
Auch wenn in der diesjährigen (Vor-) Weihnachtszeit vieles anders sein wird, als wir es bisher gewohnt waren und worauf wir uns auch ziemlich sicher sehr gefreut hätten: Lasst uns mehr Lächeln und Wärme verschenken als bisher. Lasst uns Freude, Lachen und Sternenstaub schenken …
Habt eine besinnliche und liebevolle Weihnachtszeit, eure Sarah.
Was das Kind des großen Zauberers Mirakandra in seiner Spielkiste hat
„Einen alten Knopf von einer Windhose,
Ein getrocknetes Blütenblatt einer Windrose,
Ein buntes lebendiges Traum-Bilder-Buch,
Einen flüchtigen Gedanken auf Dauerbesuch,
Zwei goldene Haare aus einem Kometenschweif,
Ein schimmerndes Flaumfederchen von Vogel Greif,
Ein Steinchen, das jemand vom Herzen gefallen,
Ein Samenkorn von einem Bäumchen Korallen,
Ein buntes Scherbchen von einem nicht mehr benützten Regenbogen,
Ein Stümpfchen von einem Irrlicht, das niemals jemand betrogen,
Einen winzigen Luftschlüssel zu einem Luftschloss,
Einen goldenen Hufnagel vom Pegasus Dichterross,
Das Krönchen einer Bienenkönigin,
Eine Sparbüchse mit Sterntalern und Sterngroschen drin,
Eine alte Taschenuhr, die einmal im Leben die Wunschstunde schlägt,
Ein Steckenpferd, das einen ins Morgen-Land trägt,
Einen Kompass, der einem immer die Richtung zeigt, wo man Freude findet,
Ein Stück roten Faden, der eine sehr lange Geschichte zusammenbindet,
Einen dicken Kreisel, der manchmal Kinder kriegt,
Einen Luftballon, der nur mit Lach-Gas fliegt,
Ein Taschenspiegelchen, mit dem man manchmal einen Blick
in den Himmel tun kann,
Und ein Püppchen mit einem Kleid aus Glückgespinst an,
Ein Knöchelchen, als Andenken vom freundlichen Tod verehrt, und …
Eine ganz kleine Muschel, in der man das ewige Sternenmeer singen hört.
Wenn du das alles sähst – du gäbst vielleicht nichts drauf:
Es sieht ganz gewöhnlich aus wie dies und das.
Ich wette, du würd’st es nicht glauben. Doch pass mal auf,
Vielleicht hast du selbst so was?“
© Michael Ende
Fotos: Tobias Stehle Fotografie